Viele Endverbraucher wurden durch das Aufkommen dieser Begrifflichkeit stark verunsichert oder fühlten sich in dem subjektiven Empfinden bestätigt, dass die modernen Produkte heute nicht mehr so lange halten wie früher. Als es nun auch noch einen Fachbegriff gab, der diesen „gefühlten“ Effekt beschrieb, war dieses offensichtlich die lang ersehnte Bestätigung, dass die Industrie Produkte bewusst früher defekt gehen lässt, um den Verkauf neuer Produkte zu steigern.
Offen gesagt entbehrt dieser Gedanke nicht einer gewisse Logik und auch viele Erfahrungen mit neuen Produkten scheinen dies zunächst einmal zu bestätigen.
Was hat es aber wirklich mit neuen Produkten und deren Haltbarkeit auf sich? In diesem Artikel wird dieses anhand der allgegenwärtigen Stromversorgungen dargestellt. Stromversorgungen, wie sie das Hause FRIWO jedes Jahr teils millionenfach verlassen und weltweit unter den unterschiedlichsten Bedingungen eingesetzt werden.
In technischen Betrachtungen gibt es den komplexen Begriff der „MTBF“ (Mean Time Between Failures). Grob gesagt beschreibt dieser die statistische Ausfallwahrscheinlichkeit von Produkten. Die MTBF wird in Stunden angegeben. Hat ein Produkt nun eine MTBF von 100 Stunden bedeutet dies aber nicht, dass das Produkt generell eine Lebenserwartung von 100 Stunden hat. Es bedeutet, dass das Produkt 100 Stunden lang mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausfallen wird. Davor ist ein Ausfall aber nicht unmöglich, da es Frühausfälle aufgrund defekter Komponenten oder potenzieller Verarbeitungsfehler geben wird. Nach den genannten 100 Stunden kommt es dann aber zu Alterungseffekten, die eine erhöhte Ausfallrate zur Folge haben. Im Englischen wird für die Zeit der konstant geringen und unwahrscheinlichen Ausfälle auch gelegentlich der Begriff „Useful Service Life“ angetroffen.
Betrachtet man nun aber 100 gleiche Geräte mit einer MTBF von 100 Stunden, wäre es theoretisch möglich, dass jede Stunde ein Gerät ausfällt. Die MTBF-Zeitangabe muss immer als statistische Größe über alle betrachteten Geräte betrachtet werden.
Grundsätzlich gilt dennoch: Ein Gerätetyp mit einer höheren MTBF hat eine größere Haltbarkeit. Die 100 Stunden in diesem Beispiel sind frei gewählt und für eine reelle Stromversorgung natürlich deutlich zu tief gegriffen: MTBF von 100.000 Stunden und mehr sind eher die Regel als eine Ausnahme. FRIWOs Standard-Kataloggeräte kommen, dem eigenen Qualitätsanspruch folgend, in der Regel sogar auf eine MTBF von 200.000 Stunden.
Die Berechnung der MTBF ist in diversen Normen fest geregelt. Man kann hier beispielsweise die IEC 62709 heranziehen, welche aus der Siemens Hausnorm SN29500 abgeleitet wurde und unter anderem auch als Basis für professionelle Berechnungssoftware, wie etwa das Programm WINDCHILL von PTC (ehemals Relex), dient. In dieser Software können ganz unterschiedliche Basisnormen hinterlegt werden und die Berechnungsmethode wird dann entsprechend der jeweiligen Norm ausgeführt.
Komplexes Gerät oder technische Einrichtungen wie etwa Satelliten oder Verkehrsflugzeuge wären heute ohne eine MTBF-Berechnung über alle Komponenten von der Zuverlässigkeit her kaum mehr zu bewerten. Auch das Militär hat diese Notwendigkeit vor einiger Zeit erkannt und eigene Normen geschaffen, die deren spezifische Anforderungen widerspiegeln und militärische Produkte auf diesem Wege hinsichtlich Haltbarkeit und Zuverlässigkeit definierbar machten. In diesem Zusammenhang sei das US Handbuch MIL-HDBK-217 genannt, welches allerdings nach der Ausgabe F nicht mehr weiter gepflegt wurde.
Nach dem kurzen Exkurs zu den statistischen Größen der Haltbarkeit, steht nun die praktische Umsetzung bei verschiedenen Produktklassen im Mittelpunkt. Soll gemäß Vorkapitel eine hohe MTBF erreicht werden, dürfen Bauteile nicht immer zu 100% ausgelastet werden – selbst dann nicht, wenn diese das gemäß ihrer Spezifikation eigentlich können. Die Bauteile funktionieren grundsätzlich länger, wenn sie nur teilausgelastet sind.
Als Beispiel seien hier die vielfach diskutierten Kondensatoren in elektronischen Geräten angeführt: Speziell die großen, mit Elektrolyt gefüllten Becherkondensatoren sind von einer Austrocknung bedroht und sollten daher möglichst kühl betrieben werden. Nach der sogenannten Arrhenius-Formel (Svante Arrhenius 1859-1927: Schwedischer Physiker) verdoppelt sich die Lebenserwartung eines Elektrolytkondensators mit jeder Reduzierung der Betriebstemperatur um 10 Grad. Angenommen, ein Kondensatortyp weist eine Betriebsdauer von 2.000 Stunden bei seiner maximalen Betriebstemperatur auf. Stellt man nun die Unterschreitung der maximalen Temperatur um 10 Grad sicher, beträgt die Lebenserwartung des Kondensators demzufolge bereits 4.000 Stunden. Wäre der Kondensator also das schwächste Glied in einem Netzteil gewesen, würde sich nur durch einen um 10 Grad kühleren Betriebszustand die Haltbarkeit statistisch verdoppeln (sofern die restlichen Bauteile unbeachtet bleiben). Lässt sich die Betriebstemperatur aber nicht absenken, muss man zur Erhöhung der MTBF Bauteile einsetzen, die eine höhere Temperatur zulassen. In unserem Beispiel könnte dies ein Elektrolytkondensator mit einer Lebenserwartung von 5.000 oder gar 10.000 Stunden sein. Diese sind allerdings etwa um das Vier- bis Zehnfache teurer und werden daher aus ökonomischen Gründen nur eingesetzt, wenn das investierte Geld auf den Endpreis des Gerätes umgelegt werden kann und somit eine entsprechende Rendite erzielt wird. Die Kunden wiederum geben für das Endprodukt nur dann mehr Geld aus, wenn dieses Produkt auch einen offensichtlichen Mehrwert hat, der ihnen einen Vorteil bietet.
Wenn sich nun einmal jeder selbst fragt, wie oft er bei den letzten technischen Einkäufen nach der Haltbarkeit des Produkts gefragt hat, werden sich die Handzeichen in Grenzen halten. Fragt man dann noch, wie viele Kunden sich das beiliegende portable oder auch das eingebaute Netzteil eines Endproduktes näher angesehen haben, wird die Zahl vermutlich gegen Null fallen. Da aber genau diese wichtigen Zubehörprodukte von Routern, Unterhaltungselektronik, Mobiltelefonen oder anderen Geräten nicht im Fokus des Kunden liegen, wird hier von vielen Anbietern eines Endprodukts bewusst gespart und im Netzteil nur das absolute Minimum verbaut, was notwendig ist. Genau hier liegt aber der Schwachpunkt, der final zu dem Vorwurf geführt hat, die Hersteller der Netzteile bauen bewusst Schwachstellen in die Produkte, um den Absatz zu erhöhen.
Im professionellen Umfeld wird seit langem auf eine hohe MTBF geachtet und diese wird in der Spezifikation des Netzteils verbindlich festgeschrieben. Mittlerweile geht man hier sogar noch weiter und verlangt eine bestimmte Mindestlebensdauer für alle im Gerät verbauten Elkos von 5.000 oder gar 10.000 Stunden.
Dem normalen Endkunden fehlt in der Regel der entsprechende technische Hintergrund, die zuvor genannten Aspekte beim Kauf zu berücksichtigen oder zu hinterfragen. Ein prinzipieller Ansatz für eine bessere Produkthaltbarkeit sowie eine effektive Vermeidung von Elektroschrott wären daher sicherlich gesetzliche Vorgaben von Mindest-MTBF-Zeiten für Netzteile und andere Elektronikgeräte. Damit wären alle Anbieter gezwungen, qualitativ bessere Komponenten zu verbauen. Durch den vermehrten Bedarf an diesen Komponenten würde deren Produktionspreis über Skaleneffekte fallen. Die vom Verbraucher zu zahlenden Mehrkosten würden sich darüber relativieren.
Die vom Hersteller „eingebaute Obsoleszenz“ zwecks Steigerung des Umsatzes gibt es nicht! Eine nicht optimale Haltbarkeit aufgrund von Marktzwängen gibt es dagegen sehr wohl und betrifft durchgängig alle Hersteller, die elektronische Komponenten verwenden.
Eine Lösung dieses Konflikts kann es nur durch einen kritischen Verbraucher selbst oder aber durch allgemein gültige politische Vorgaben geben, welche im besten Fall direkt auf europäischer Ebene Gültigkeit erlangen.